«Langfristige Planung statt Hauruckaktion» - Interview mit GEAK-Experte Elmar Stocker

Der Gebäudeenergieausweis der Kantone, kurz GEAK, bildet die Grundlage für eine umfassende Sanierungsanalyse. Was eine solche Analyse alles beinhaltet, zeigen wir am Beispiel eines über 200-jähriges Wohnhauses in Ennetmoos auf. Elmar Stocker hat den Wohnsitz des ehemaligen Spitzensportlers Viktor Röthlin energetisch durchleuchtet.

In seiner Tätigkeit als GEAK®-Experte macht Elmar Stocker immer wieder die Erfahrung, dass Immobilienbesitzer in den meisten Fällen keine Ahnung über den Energieverbrauch und dessen Kosten ihrer Liegenschaft haben. Der Verbrauch von Heizöl in Liter ist meistens ungefähr bekannt, die Stromrechnung aber nicht. Der Mehrheit der Bevölkerung fehlt schlichtweg der Bezug und das Gespür für Energie. Was auch damit zusammenhängen dürfte, dass die Energiekosten noch immer sehr tief sind.

Elmar Stocker wünschte sich, dass jeder interessierte Hauskäufer zum Objekt seiner Begierde auch eine GEAK-Energieetikette geliefert bekäme. «Dies würde bei Liegenschaftsbesitzern einiges auslösen», ist Stocker überzeugt. Verkäufer von Liegenschaften wären dann viel eher daran interessiert, dass ihre Immobilie bezüglich Energieeffizienz möglichst gut abschneidet, womit sich die Verkaufschancen deutlich erhöhen. Umgekehrt wäre dem Käufer ersichtlich dass bei einer tieferen und roten Klassifizierung noch einige Sanierungskosten anstehen.

 

Interview

Als GEAK-Experte dürften Sie bei Ihren Begehungen ganz unterschiedliche Objekte antreffen. Welche Erfahrungen machen Sie?

Im Zuge meiner GEAK-Tätigkeit treffe ich jeweils ganz unterschiedliche Situationen an, sei es die Bauweise oder das Alter eines Objekts. Das macht meinen Nebenjob auch so interessant. Ich stelle dabei oft fest, dass bei zahlreichen Gebäuden in der Vergangenheit schon Teilsanierungen vorgenommen wurden, welche aber selten bis nie den heutigen Standards entsprechen.

 

Sie beraten und begleiten auch Viktor Röthlin bei seinen Sanierungsplänen. Was ist bei seinem über 200-jährigen Wohnhaus speziell?

Zwei Dinge sind atypisch: das Dach war bereits saniert und ein sehr gutes neues Heizsystem installiert. Das Spezielle daran: Die bisherigen Sanierungsmassnahmen entsprechen den neuesten Anforderungen, was doch eher selten vorkommt.

 

Die Basis einer Sanierung ist ein über 40-seitiger Beratungsbericht. Wie gewinnt man hier den Blick fürs Wesentliche?

Als Laie gerät man ob den umfangreichen Informationen schnell einmal an seine Grenzen. Was die Leute am meisten interessiert, ist die Frage: Wo steht mein Gebäude aktuell bezüglich Energieeffizienz und wie kann ich diese verbessern? Die grafischen Darstellungen und der Vergleich des Ist-Zustands mit den Varianten geben hier einen guten Überblick.

 

Wie hoch rutscht Viktor Röthlins Haus bezüglich Energieeffizienz nach der Sanierung?

Das hängt davon ab, für welche Sanierungsvariante sich Viktor Röthlin entscheidet. Er hat das Dach bereits saniert, weshalb die Gebäudehülle in der Bewertung bereits im E ist. Vielfach treffe ich Gebäude an, die wenig energieeffizient und im F oder sogar im G sind. Im Falle einer umfassenden Sanierung würde sich Röthlins Eigenheim bei der Gebäudehülle von E auf B verbessern.

 

Wie energieeffizient ist dies?

Ich gebe Ihnen ein Beispiel: ein gesetzlich erstelltes Gebäude befindet sich in der Kategorie C.

 

Kategorie A liegt nicht drin?

Nein, in der Kategorie A sind Minergie-P-Gebäude, was im Vergleich Passivhäusern in Deutschland entspricht.

 

Wie viel Energie kann man generell mit einer Sanierung einsparen?

Bei Gebäuden, die älter als 40 Jahre sind, gehen wir von einer Halbierung des Energieverbrauchs aus. Voraussetzung dafür ist aber eine Gesamtsanierung mit Boden, Fenster, Wänden und Dach.

 

Was raten Sie allgemein Besitzern von älteren Immobilien?

Die meisten Menschen mit einer Liegenschaft, die saniert werden sollte, wissen im Prinzip, dass sie etwas unternehmen sollten. Oft schätzen sie die Kosten für eine Sanierung als viel zu hoch ein, was sie abschreckt und davon abhält, eine Sanierung überhaupt ins Auge zu fassen.

 

Die Unkenntnis der Kosten ist also ein grosses Hemmnis bei Sanierungen?

Ja, das würde ich so unterschreiben. Hier liegt der Vorteil des GEAK® Plus, welcher eine Grobkostenschätzung entwirft. Sind die Kosten auf dem Tisch, folgt ein Aha-Erlebnis. Der Immobilienbesitzer kann sich nun aus den vorgeschlagenen Massnahmen eine oder mehrere herauspicken und Offerten einholen. Der Beratungsbericht klärt ihn zudem über die Höhe der Förderbeiträge auf.

 

Wie realistisch sind die Investitionskosten berechnet?

Wir rechnen sehr konservativ und passen den Kostenrahmen den regionalen Begebenheiten an.

 

Was tun, wenn das Budget knapp ist?

Wir empfehlen eine Sanierung in Etappen und den Beizug eines Experten, der beurteilt, ob ein schrittweises Vorgehen Sinn macht. Wichtig auf jeden Fall sind aber eine langfristige Planung und keine Hauruckaktionen.

 

Bei welchem Gebäudeteil fängt man eine Sanierung am besten an?

Das hängt vom jeweiligen Objekt ab. Der Berater zeigt jeweils auf, wo der Handlungsbedarf am grössten ist. Bei einer Etappierung ist aber die richtige Reihenfolge absolut zentral.

 

Wie findet man seinen GEAK-Berater?

Bei mir ist es meist so, dass ich von einem Unternehmer angefragt werde, welcher ein Gesuch für Fördergelder eingereicht hat. Eine Liste mit GEAK-Experten in der Region findet man auf der Website des GEAK.

Zur Person

Elmar Stocker
Elmar Stocker

Elmar Stocker ist Architekt FH mit eigenem Architekturbüro in Sarnen. Er ist seit 2009 zertifizierter GEAK®-Experte mit Spezialgebiet nachhaltiges Bauen, Minergie, sommerlicher Wärmeschutz.