

Marktkommentar – Ein Blick auf die Börsenwoche
Nach den Turbulenzen im Bankensektor stecken die Notenbanken in einer Zwickmühle. Der Markt erwartet von ihnen, dass sie den Fuss von der geldpolitischen Bremse nehmen. Die hartnäckig hohe Inflation erlaubt dies aber eigentlich nicht.
Chart der Woche
Inflation und Geldpolitik fordern ihren Tribut
Firmengründungen und -pleiten in der EU, indexiert
Quellen: Eurostat, Raiffeisen Schweiz CIO Office
Aufgrund der günstigen Refinanzierungskosten haben viele Unternehmen in den vergangenen Jahren Schulden angehäuft – teilweise mehr als es ökonomisch gesund war. Das rächt sich nun. Die sich abkühlende Konjunktur, die hartnäckige Inflation und die steigenden Zinsen haben die Zahl der Firmenpleiten in der Europäischen Union (EU) im vierten Quartal 2022 auf den höchsten Stand seit 2015 klettern lassen. Zugleich stagniert die Zahl der Neugründungen. Angesichts des schwierigen Umfeldes ist davon auszugehen, dass sich dieser Trend vorerst fortsetzen wird.
Aufgefallen
Wie der Phoenix aus der Asche
Nach seinem Ausflug unter die 20'000-Dollar-Marke schoss der Bitcoin zurück bis auf 26'500 Dollar – höchster Wert seit Juni 2022! Damit unterstreicht der Krypto-Primus abermals seinen volatilen Charakter.
Auf der Agenda
Zinsentscheid im Doppelpack
Nächste Woche stehen die US-Notenbank Fed und die Schweizerische Nationalbank mit ihren Zinsentscheiden im Fokus. Wir rechnen mit weiteren Zinserhöhungsschritten.
Börsen kommen nicht zur Ruhe
Nach dem Kollaps der Silicon Valley Bank (SVB) sorgte mit der Credit Suisse (CS) nun ein weiteres Finanzinstitut für Nervosität unter den Anlegern. Ihr Hauptaktionär, die Saudi National Bank, hatte neuerliche Hilfen ausgeschlossen. In der Folge rauschte die Aktie am Mittwoch auf ein Allzeittief von 1.55 Franken – der Handel wurde mehrmals ausgesetzt. Zugleich sind die Preise für Kreditausfall-Swaps (CDS) durch die Decke gegangen. Die Absicherung über 5 Jahre kostete zeitweise 9.7 % pro Jahr. Sollten die CS-Kapitäne nicht bald das Ruder rumreissen, droht dem Institut ein Bank-Run. Um einem solchen vorzubeugen, stellten die Finanzmarktaufsicht FINMA und die Schweizerische Nationalbank (SNB) der CS 50 Milliarden Franken an frischer Liquidität zur Verfügung. Die «bad news» rund um die Schweizer Grossbank drückten die aufgrund der Turbulenzen im US-Bankensektor ohnehin schon angespannte Stimmung an den Börsen. Das Angstbarometer VIX, das die Volatilität des US-Aktienmarktes misst, notierte diese Woche mit 30 Punkten zeitweise so hoch wie zuletzt im Oktober 2022. Der Angst & Gier Index zeigte ebenfalls ein erhöhtes Stresslevel an. Viele Anleger setzten über weite Strecken auf weniger risikobehaftete Anlagen. Die Renditen für Eidgenossen sanken über alle Laufzeiten. Auch Gold war gesucht. Sein Preis kletterte bis auf 1'937 US-Dollar pro Unze.
Viel Schatten, etwas Licht
Zum Ende der Gewinnsaison standen vor allem die Zahlenkränze kleiner und mittelgrosser Unternehmen an. Komax hat 2022 einen rekordhohen Betriebsgewinn erzielt. Mit dem Blick nach vorne enttäuschte der Hersteller von Kabelverarbeitungsmaschinen jedoch. PolyPeptide hat trotz Gewinnwarnung die Analystenerwartungen nicht erfüllt. Der Pharmaauftragsfertiger verzeichnete einen Umsatzschwund von 3 %. Ergebnis wie auch Guidance des Eisenbahnbauers Stadler Rail verfehlten indes selbst die pessimistischsten Erwartungen. Schuld ist der starke Franken, denn die Hälfte der in der Schweiz gefertigten Züge wird exportiert. Erfreuliches vermeldete die Industriegruppe Von Roll. Umsatz und Auftragseingang entwickelten sich positiv, die Profitabilität wurde gehalten.
SECO erwartet schwaches Wachstum
Die Bundesökonomen haben ihre Konjunkturprognosen im Wesentlichen bestätigt. Für 2023 rechnen sie mit einer deutlich unterdurchschnittlichen Wachstumsrate von 1.1 %, gefolgt von 1.5 % im Jahr 2024 (zuvor: 1.0 % bzw. 1.6 %).
EZB dreht weiter an der Zinsschraube
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat an ihrer März-Sitzung den Leitzins um 50 Basispunkte auf 3.0 % angehoben. Das ist die sechste Erhöhung seit Juli 2022. Damit machen die Währungshüter klar, dass ihr Hauptaugenmerk der Wiederherstellung der Preisstabilität gilt. Für die Anleger bedeutet dies, dass der geldpolitische Gegenwind nicht so bald nachlassen wird. Die Rezessionsrisiken in Europa bleiben somit erhöht. Nach der unglaublichen Liquiditätsflut der letzten 15 Jahre steht den Finanzmärkten nun ein radikaler Entzug inklusive Nebenwirkungen bevor. Angesichts der nur minim rückläufigen Euro-Inflation – seit ihrem Höhepunkt vergangenen Oktober ist diese gerade mal um zwei Prozentpunkte gesunken – erwarten wir, dass die EZB die Leitzinsen bis zum Sommer auf 3.5 % anheben und danach auf diesem Niveau halten wird.
Rückläufige US-Inflation
Die Teuerungsrate in den USA ist im Februar erwartungsgemäss von 6.4 % auf 6.0 % gesunken. Die Börsen reagierten darauf am Dienstag mit Avancen. Denn unter den Anlegern befeuerte das die Meinung, dass die US-Notenbank Fed in Sachen Zinserhöhungen nun den Fuss vom Gaspedal nimmt, um den konjunkturellen Schaden zu verringern. Die US-Inflation befindet sich aber weiterhin klar über dem Zielwert von 2.0 %. Sollten die Währungshüter dem Druck der Märkte nachgeben, etwa wegen der angespannten Lage im Bankensektor, drohen sie neben ihrer Glaubwürdigkeit auch den Kampf gegen die Teuerung zu verlieren.
Publikation «Marktkommentar»