• Märkte & Meinungen
  • Anlegen

Harris oder Trump? Auswirkungen auf die Finanzmärkte

Die US-Wahlen rücken in den Fokus und dürften im Vorfeld für eine erhöhte Volatilität sorgen. Historisch hat der US-Aktienmarkt aber nach den Wahlen – unabhängig davon, welche Partei als Siegerin hervorging – fast immer zugelegt.

Zwei Fäuste

Ausgabe 30.08.2024

Kopf-an-Kopf-Rennen – Der Wahlausgang ist offen

Er sah schon wie der sichere Sieger aus. Nach der desaströsen ersten Fernsehdebatte von US-Präsident Joe Biden schnellten die Wettquoten seines Herausforderers Donald Trump in die Höhe. Für die Demokraten zeigte sich schmerzhaft, dass Biden aufgrund seines Gesundheitszustands nicht mehr in der Lage ist, weitere vier Jahre im Weissen Haus zu regieren. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion beschloss die Parteiführung daher eine Rochade: Die bisherige Vizepräsidentin Kamala Harris wurde anstelle des amtierenden Präsidenten auf den Schild gehoben. Am 23. August wurde sie am Parteikongress der Demokraten offiziell als Kandidatin nominiert. Die neue Ausgangslage bringt Trump ins Schwitzen, denn das Rennen ist damit wieder völlig offen.

 

Entwicklung der Wettquoten für Donald Trump, Joe Biden und Kamala Harris 

Entwicklung der Wettquoten für Donald Trump, Joe Biden und Kamala Harris

Quellen: Bloomberg, Raiffeisen Schweiz CIO Office

Mitentscheidend für den Wahlausgang wird nicht zuletzt die wirtschaftliche Entwicklung in den USA sein. Die zwar sinkende aber immer noch hohe Inflation belastet die Konsumentinnen und Konsumenten. Kumuliert ist das Preisniveau in den USA unter Bidens Präsidentschaft um fast 20% gestiegen. Zudem beginnt sich die Situation am Arbeitsmarkt einzutrüben. Die Arbeitslosenrate ist in diesem Jahr von 3.7% auf 4.3% geklettert und eine Trendwende ist nicht in Sicht. Kamala Harris gilt zudem als Hauptverantwortliche für die aus dem Ruder laufende Migration aus den mittel- und südamerikanischen Staaten. Sie muss nun in kurzer Zeit ein Wahlprogramm vorlegen, welches die Bevölkerung überzeugt. Entsprechend ist völlig offen, ob der aktuelle Rückenwind für die Kalifornierin weiter anhalten wird.

2%-Ziel der NATO verfehlt – Unter Trump müssten viele Länder aufrüsten

Donald Trump hat entsprechend weiterhin gute Chancen auf eine Rückkehr ins Weisse Haus. Insbesondere kann er auf eine loyale Wählerbasis zählen. Für ihn wird entscheidend sein, ob er mit seinem politischen Programm genügend Wechselwähler überzeugen kann. Seine Schwerpunkte sind klar: Beschränkung der Migration, Deregulierung, Steuersenkungen, Reindustrialisierung sowie eine harte und auf Eigeninteressen ausgelegte Handels- und Aussenpolitik. Für Europa und Asien dürfte unter Trump ein rauer Wind wehen. Neben der Gefahr von höheren Zöllen dürfte er darauf pochen, dass insbesondere die NATO-Länder ihre Rüstungsausgaben deutlich erhöhen. Derzeit verlassen sich viele Staaten auf die «Schutzmacht» USA und sind weit davon entfernt, die NATO-Vorgaben, welche Militärausgaben in der Grössenordnung von 2% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) vorsehen, zu erreichen.

 

Rüstungsausgaben einzelner Staaten im Verhältnis zum jeweiligen BIP

Rüstungsausgaben einzelner Staaten im Verhältnis zum jeweiligen BIP

Quellen: NATO, Raiffeisen Schweiz CIO Office

Trumps politische Schwerpunkte wirken (fast) allesamt inflationär. Eine abnehmende Zuwanderung sowie die Rückführung von Wertschöpfungsketten dürften die Löhne steigen lassen, tiefere Steuern erhöhen tendenziell die Konsumnachfrage und höhere Zölle wiederum verteuern die Importe. Allerdings hat sich gezeigt, dass auch die Wirtschaftspolitik der Demokraten die Teuerung befeuert. Die verschiedenen fiskalischen Stimuluspakete haben die staatliche Nachfrage angeschoben. Zudem plant Kamala Harris, die Sozialausgaben weiter zu erhöhen.

Unabhängig davon, wer im Weissen Haus in Zukunft das Zepter schwingen wird, ist klar, dass die Haushaltsdefizite weiter hoch bleiben und die Staatsverschuldung ungebremst ansteigen wird. Bereits jetzt liegt die Gesamtverschuldung der USA bei über 120% des BIP. Es ist damit nur eine Frage der Zeit, bis die Bonität der Vereinigten Staaten erneut gesenkt wird. Dadurch nimmt der Druck auf den US-Dollar und die Kapitalmarktzinsen zu. Mittelfristig müssen sich Anlegerinnen und Anleger deshalb auf eine strukturell höhere Inflation und entsprechend höhere Zinsen einstellen. Der Schweizer Franken dürfte sich zudem weiter aufwerten.

Vor den Wahlen schwach – nach den Wahlen stark

Kurzfristig wird die Volatilität an den Finanzmärkten erhöht bleiben. Historisch haben die Aktienmärkte vor den US-Wahlen oft zur Schwäche tendiert, um im Nachgang zu einer Rally anzusetzen. Und dies unabhängig davon, welche Partei jeweils als Wahlsiegerin hervorgegangen ist. Auf Sektorebene sind aber durchaus unterschiedliche Entwicklungen zu erwarten. Unter Harris dürften vor allem die zuletzt arg gebeutelten Titel aus der Wind- und Solarenergiebranche profitieren. Bei einem Wahlsieg Trumps ist von einem Kurssprung bei Erdöltiteln und Rüstungswerten auszugehen. Für Schwellenländeraktien andererseits wäre unter Trump mit Gegenwind zu rechnen.

 

Entwicklung des S&P 500 vor und nach den US-Wahlen, seit 1980

Entwicklung des S&P 500 vor und nach den US-Wahlen, seit 1980

Quellen: Bloomberg, Raiffeisen Schweiz CIO Office

Grundsätzlich sollten sich Anlegerinnen und Anleger aber nicht aus dem Konzept bringen lassen. Allgemein wird der Einfluss von Wahlen auf die Finanzmärkte überschätzt. In der Regel gilt das Bonmot: «Politische Börsen haben kurze Beine.» Dies dürfte auch 2024 nicht anders sein.

Der CIO erklärt: Was heisst das für Sie als Anleger?

Historisch haben sich die Aktienmärkte im Vorfeld der US-Wahlen stets volatil gezeigt und schwächer tendiert. Nach den Wahlen hat der S&P 500 dann oft zu einer Erholung angesetzt – und zwar unabhängig davon, ob ein Republikaner oder ein Demokrat zum Präsidenten erkoren wurde. Ob diese Entwicklung effektiv mit den Wahlen zusammenhängt oder nicht viel eher dem traditionellen saisonalen Muster zuzuschreiben ist, bleibt dahingestellt. Entscheidend für den weiteren Börsenverlauf sind sowieso primär die Konjunktur, die Gewinnentwicklung der Unternehmen sowie die Geldpolitik. Vor dem Hintergrund, dass sich erstere deutlich abkühlt, scheinen die Gewinnerwartungen im Hinblick auf 2025 sehr ambitioniert. Gemäss Analystenprognosen sollen die Erträge der 500 grössten US-Unternehmen um 14% steigen. Diese hohen Erwartungen bergen Enttäuschungspotenzial. Deshalb ist weiterhin eine defensive Anlagetaktik angezeigt. Für Anlegerinnen und Anleger gibt es aber einen Hoffnungsschimmer: Am 18. September wird die US-Notenbank Fed die lang ersehnte Zinswende einleiten.

Matthias Geissbühler Portrait

Matthias Geissbühler

Chief Investment Officer Raiffeisen Schweiz

Seit Januar 2019 ist Matthias Geissbühler als Chief Investment Officer (CIO) von Raiffeisen Schweiz für die Anlagepolitik verantwortlich. Zusammen mit seinem Team analysiert er kontinuierlich die weltweiten Geschehnisse an den Finanzmärkten und entwickelt die Anlagestrategie der Bank.

Der Wegweiser für Ihr Vermögen.