«Wer bestimmt über mein Unternehmen, wenn ich es selbst nicht mehr kann?»

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Vorsorgen für den Ernstfall ist für Unternehmer essenziell: Fallen sie durch Unfall, Krankheit oder Tod aus, muss schnell jemand übernehmen, der die Geschäfte am Laufen hält. Hier erfahren Sie, wie Sie vorgehen können.

 

 

Und plötzlich geht nichts mehr

Nach einem Schlaganfall liegt Adelina Murati auf der Intensivstation. Die Prognose der Ärzte: Die kognitiven Fähigkeiten der 39-Jährigen werden bis auf weiteres stark beeinträchtigt sein. Adelinas Lebenspartner Rafaele ist natürlich sofort zur Stelle – nicht nur an Adelinas Krankenbett. Er will sicherstellen, dass das Software-Unternehmen seiner Partnerin reibungslos weiterläuft. Bald wird allerdings klar: Rafaele darf für Adelina in der Einzelunternehmung keine Entscheidungen treffen – weder Löhne auszahlen, noch Aufträge stornieren oder Rechnungen begleichen. Daran ändert sich auch nichts, als die Unternehmerin drei Wochen später unerwartet an den Folgen des Hirnschlags stirbt. Dabei weiss Raffaele genau: Adelina hätte gewollt, dass er sich um ihr Unternehmen kümmert.

 

Das Problem: Ohne Vorsorge spielt das Gesetz

Vorsorgen für den Ernstfall ist für selbständige Einzelunternehmer* noch wichtiger als für Privatpersonen: Passiert ihnen etwas, muss schnell jemand ihre wichtigsten Aufgaben in der Unternehmung übernehmen bzw. die Stellvertretung oder Nachfolge regeln. Und das soll natürlich nicht irgendjemand sein, sondern die richtige Person.

Ohne Vorkehrungen kommt das Gesetz zur Anwendung. Wird der Unternehmer urteilsunfähig, heisst das konkret: Die Kindes- und Erwachsenenbehörde KESB prüft, ob eine Beistandschaft erforderlich ist. Ist dies der Fall, so bestimmt sie einen Beistand, den sie für geeignet hält. Das kann der Lebens- oder Ehepartner sein; die KESB darf aber auch andere Personen einsetzen, die ihr im Sinne der urteilsunfähigen Person als geeignet erscheinen. Bis ein qualifizierter Beistand feststeht, kann es mehrere Monate dauern. Währenddessen können viele Entscheidungen nur in Absprache mit der KESB getroffen werden. Dadurch wird die Fortführung des Betriebs stark eingeschränkt oder gar blockiert, es kommt unter Umständen vorübergehend zum Stillstand.

Stirbt der Einzelunternehmer, so endet auch dessen Unternehmen. Ein Einzelunternehmen kann somit – im Gegensatz zu einer Gesellschaft – nicht jemandem vererbt werden. Jedoch fallen die gesamten Aktiven und Passiven des Unternehmens in den privaten Nachlass. Hinterlässt der Unternehmer weder ein Testament noch einen Erbvertrag, so sind seine gesetzlichen Erben erbberechtigt. Im Fall von Adelina sind dies in erster Linie ihre Kinder oder, falls sie keine Kinder hinterlässt, ihre Eltern. Ihr Lebenspartner ist somit von Gesetzes wegen nicht erbberechtigt.

 

Die Lösung: selbstbestimmt vorsorgen

Unternehmern stehen Instrumente zur Verfügung, mit denen sie festlegen können, wer im Fall von Urteilsunfähigkeit über die Unternehmung bestimmt oder – im Falle von Einzelunternehmungen – wer beim Tod das in der Unternehmung gebundene Vermögen erbt.

 

1. Sich für Urteilsunfähigkeit absichern

Im Vorsorgeauftrag können Sie eine Vertrauensperson Ihrer Wahl bestimmen, die in Ihrem Namen die Verantwortung im Betrieb übernehmen soll, falls Sie urteilsunfähig werden. Die KESB muss dann nur noch die Urteilsunfähigkeit überprüfen und ausserdem klären, ob der Vorsorgeauftrag gültig ist und ob die darin genannte Person für die Aufgabe geeignet ist. Die KESB verlangt dazu in der Regel einen Strafregister- und einen Betreibungsregisterauszug der beauftragten Person. Ausserdem prüft sie, ob triftige Gründe (z. B. Alter, geistige Verfassung oder Gesundheitszustand) gegen eine Mandatierung sprechen. Diese Prüfung dauert in der Regel einige Wochen. Anschliessend kann die definierte Person die Geschäfte leiten. So darf sie zum Beispiel Löhne bezahlen, Aufträge erteilen, Verträge abschliessen und neue Mitarbeiter einstellen. Grundsätzlich darf die beauftragte Person im Rahmen ihres Auftrags frei entscheiden. Sie können den Entscheidungsspielraum bei Bedarf aber auch mit Weisungen einschränken. Auf jeden Fall sollte man eine vertrauenswürdige Person beauftragen, die der Aufgabe tatsächlich gewachsen ist. Ein Vorsorgeauftrag kann vom Auftraggeber vor Eintritt der Urteilsunfähigkeit jederzeit geändert oder widerrufen werden.

2. Für den Todesfall vorsorgen

Sie können Ihren Nachlass mit einem Testament regeln: Darin können Sie zum Beispiel dem Lebenspartner bestimmte Vermögensteile zuweisen. Einige gesetzliche Erben haben aber Anspruch auf einen Minimalanteil des Nachlasses, den sogenannten Pflichtteil. Es sind dies der Ehegatte des Verstorbenen und die Kinder. Mit dem Inkrafttreten des neuen Erbrechts am 01.01.2023 wurde der Pflichtteil der Kinder reduziert. Die individuellen Vorsorgemöglichkeiten via Testament wurden dadurch also grösser.

Den grössten Spielraum für eine individuelle Erbaufteilung bietet ein Erbvertrag: Sind Ihre pflichtteilsberechtigten Erben einverstanden und bezeugen dies mit ihrer Unterschrift, können Sie die Vermögenswerte Ihres Einzelunternehmens oder gar den ganzen Nachlass Ihrem Lebenspartner oder einer anderen Person vererben.

Fazit: Sichern Sie Ihr Unternehmen ab – für alles was kommt

Glühbirne

Wappnen Sie sich für den Ernstfall, denn Krankheit, Unfall oder Tod kann jeden Unternehmer treffen. Erstellen Sie darum einen Vorsorgeauftrag und setzen Sie einen Erbvertrag auf. Damit sichern Sie die Zukunft Ihres Unternehmens. Das Dokument können Sie selber aufsetzen, wir empfehlen Ihnen jedoch eine vorgängige Beratung durch einen Experten. Die Formvorschriften finden Sie hier. Der Erbvertrag bedarf zu seiner Gültigkeit einer öffentlichen Beurkundung. Für eine Beratung sowie beim Aufsetzen der Dokumente stehen Ihnen die Raiffeisen Nachlassexperten gerne zur Seite.

Haben Sie Fragen zu Ihrer persönlichen Vorsorge-Situation? Möchten Sie wissen, wo bei Ihnen selbst noch Handlungsbedarf besteht? In unserer Beratung erhalten Sie auch Antworten auf Fragen rund um die Willensvollstreckung, nötige Versicherungen und vieles mehr. 

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