

Marktkommentar – Ein Blick auf die Börsenwoche
Der US-Regierung rennt im Streit um die Schuldenobergrenze die Zeit davon. Die Börsi-aner beobachten das mit zunehmender Sorge. Die Notenbank Fed schliesst derweil weitere Zinserhöhungen nicht kategorisch aus.
Chart der Woche
Völlig losgelöst
Kursentwicklung des DAX, seit 2000
Quellen: Bloomberg, Raiffeisen Schweiz CIO Office
Der DAX notierte vor einer Woche mit 16'300 Punkten so hoch wie noch nie. Gegenüber Jahresanfang verzeichnete der deutsche Leitindex damit ein Plus von fast 17%. Seit dem Jahr 2000 hat er seinen Wert verdoppelt. Fundamental ist das schwer nachvollziehbar. Trotz der hartnäckigen Inflation sowie der höheren Zinsen, welche die Konjunktur spürbar belasten, sind die Anleger positiv gestimmt. Sie setzen auf ein «soft landing» der Wirtschaft und baldige Zinssenkungen der Notenbanken. Auch in Sachen US-Schulden-streit geben sie sich optimistisch. Und so überwiegt an der Börse derzeit die Angst, etwas zu verpassen. Das birgt allerdings Enttäuschungspotenzial.
Aufgefallen
Oh Schock, Rezession!
Die deutsche Wirtschaft schrumpfte von Januar bis März gegenüber dem Vorquartal um 0.3% – das zweite Mal in Folge. Damit steckt Deutschland nun in einer (technischen) Rezession.
Auf der Agenda
Wirtschaftswachstum Schweiz
Am 30. Mai veröffentlicht das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) seine Schätzung für das Wachstum der Schweizer Wirtschaft im ersten Quartal.
Börsen im Zeichen des US-Schuldenstreits
Im Fokus der Anleger stand der Streit um die Anhebung der US-Schuldenobergrenze. Obwohl der Tag der Zahlungsunfähigkeit – spätestens Mitte Juni – immer näher rückt, steht eine Einigung noch aus. Die Ratingagentur Fitch prüft infolgedessen eine Herabstufung der Kreditwürdigkeit des Landes. Nachdem die Finanzmärkte das Thema lange Zeit ignoriert haben, ist die Volatilität nun deutlich angestiegen. Ein Zahlungsausfall hätte verheerende Folgen. Für zusätzliche Verunsicherung an den Börsen sorgten die Sitzungsprotokolle der US-Notenbank Fed. Demnach schliessen die Währungshüter weitere Zinsschritte nicht aus, machen diese aber von der Entwicklung der Inflations- und Arbeitsmarktdaten abhängig. Der Swiss Market Index (SMI) tendierte entsprechend über weite Strecken schwächer. Die Privatbank Julius Bär enttäuschte derweil in puncto Neugeldzuflüssen und Margenentwicklung in den ersten vier Monaten. Positives hatte dagegen Ypsomed zu verkünden Das Medizintechnik-Unternehmen konnte das Betriebsergebnis im Ende März abgelaufenen Geschäftsjahr verdoppeln. Den Aktionären winkt nun eine Dividendenerhöhung von 0.60 auf 1.30 Franken. Abseits der Berichtssaison sorgte Vontobel für einen Paukenschlag: Der langjährige CEO der Bank, Zeno Staub, wird 2024 abtreten.
Nvidia auf der Überholspur
Die Tech-Branche liebt den Hype. Nach Themen wie Cloud oder Metaversum ist nun die künstliche Intelligenz (KI) mit ihrem Aushängeschild ChatGPT an der Reihe. Neben den Branchenriesen Microsoft und Google profitieren davon Firmen wie der Chipspezialist Nvidia. Dieser hat dank seiner leistungsstarken Technologie im Bereich Machine Learning den First-Mover-Vorteil auf seiner Seite. Im per Ende April abgelaufenen ersten Quartal hat Nvidia denn auch im Vergleich zum Vorjahr seinen Gewinn um satte 26% auf 2.04 Milliarden US-Dollar gesteigert. Für das laufende Quartal übertrifft das Unternehmen mit seinen Umsatzprognosen die Erwartungen der Analysten um fast das Doppelte. Das spiegelt auch der Aktienkurs. Nach Veröffentlichung der Geschäftszahlen kletterte der Titel um bis zu 29% auf ein Rekordhoch bei 394 US-Dollar. Gegenüber Anfang Jahr resultiert ein Plus von rund 160%.
Yen-Schwäche beflügelt japanischen Aktienmarkt
Der Nikkei bewegt sich um 31'000 Punkte. Das ist der höchste Stand seit 1990. Gegenüber Jahresanfang verbucht der japanische Leitindex einen Wertzuwachs von fast 19%. Zum Vergleich: Der amerikanische S&P 500 steht 8% im Plus, der SMI etwas mehr als 5%. Grund für die Outperformance des Nikkei ist neben der soliden Wirtschaftsentwicklung Japans primär seine schwache Währung – zum Schweizer Franken ist der Yen so günstig wie Anfang der 1980er-Jahre. Dadurch relativiert sich auch die Performance. In Schweizer Franken gerechnet beträgt das Jahresplus «nur» 9%.
Pessimistische Unternehmen
Der Einkaufsmanagerindex für die Euro-Industrie ist im Mai um 1.2 auf 44.6 Punkte gefallen. Auch bei den Dienstleistern trübte sich die Stimmung ein. Einmal mehr zeigt sich der «time lag» der konjunkturellen Bremseffekte durch die höheren Zinsen. Grund dafür ist die Corona-Pandemie. Die aus dieser Zeit angestiegenen Ersparnisse der Verbraucher halten den Konsum stabil. Viele Unternehmen profitieren zudem von hohen Auftragsbeständen infolge der damaligen Lieferengpässe. Diese Effekte schwächen sich jedoch ab. Die Rezessionsrisiken bleiben im Euroraum daher erhöht.
Keine Änderung beim Leitzins
Die People’s Bank of China (PBoC) hat beschlossen, den Schlüsselsatz für einjährige Kredite (LPR) bei 3.65% und denjenigen für fünfjährige Kredite bei 4.3% zu belassen. Damit bleiben diese Zinssätze nun schon seit neun Monaten unverändert. Angesichts der zum Erliegen gekommenen Inflation (April: +0.1%) und der zuletzt schwachen Daten aus Chinas Industriesektor rechnen die Analysten jedoch beim Reservesatz für Geschäftsbanken (RRR) mit Senkungen im laufenden Jahr.
Publikation «Marktkommentar»