Mit der Entscheidung, den Leitzins am 21. September 2023 unverändert zu lassen, setzt die Schweizerische Nationalbank auf einen Marschhalt. Unser Chefökonom Fredy Hasenmaile erläutert welche Auswirkungen diese Zinspause für Sie hat und beantwortet Ihnen die wichtigsten Fragen.
Fredy Hasenmaile, Raiffeisen Chefökonom
Wie sich der Nullentscheid auf die Wirtschaft auswirkt
Die SNB hat den Leitzins wider Erwarten nicht angehoben. Was sind die Gründe dafür?
Der wichtigste Grund dürfte in der überraschend starken Beruhigung des Preisauftriebs zu finden sein. Die Inflation bewegt sich mit 1.6% wieder im Zielbereich der SNB und alle Vorlaufindikatoren signalisieren eine weitere Verlangsamung des unterliegenden Preistrends. Zudem reduziert die jüngste Frankenstärke die importierte Inflation – den Haupttreiber der Inflation. Als zweiten Grund kann man die starke Eintrübung der Geschäftsaussichten insbesondere in der Industrie anführen. Die Schweizer Industrie befindet sich in einer Rezession und das schwache aussenwirtschaftliche Umfeld droht auch den Dienstleistungssektor in Mitleidenschaft zu ziehen. Mit anderen Worten hat die SNB in Anbetracht der erfreulichen Entwicklung der Inflation wieder vermehrt auch die Gesamtwirtschaft im Blickwinkel und will mit der Zinspause Zeit gewinnen, um vor allfälligen weiteren Schritten die Bremswirkung der bisherigen Zinsanstiege auf die Realwirtschaft besser einschätzen zu können.
Ist die Inflation somit unter Kontrolle?
Es ist noch zu früh, um den abschliessenden Sieg über die Inflation zu verkünden. Zumal wir erwarten, dass die Konsumentenpreisteuerung im November erneut die 2%-Schwelle überschreiten wird. Bereits Anfang 2024 dürfte die Inflation aber wieder in den Zielbereich der SNB zurückkehren und mittelfristig auch in diesem verbleiben. Die erwartete Lohnrunde im Herbst dürfte zudem gemäss Umfrageresultaten eher moderat ausfallen und damit die Inflation nicht zusätzlich befeuern.
Ist schon bald mit Zinssatzsenkungen zu rechnen?
Nein. Die Schweiz hat europaweit den höchsten Anteil an administrierten Preisen – also solchen, die von staatlichen oder staatsnahen Institutionen diktiert oder reguliert werden. Diese glätten den Preisauftrieb. Das heisst, die Preise steigen ebenfalls, aber später und zumeist etwas gemässigter. Das Preiswachstum in der Schweiz dürfte somit noch eine Weile im oberen Bereich der von der SNB definierten Bandbreite verharren. Die SNB dürfte sich daher nicht so rasch zu Zinssenkungen durchringen. Sie wird die Zinsen vorerst auf dem erreichten Niveau belassen, um der Inflation keine neue Gelegenheit zur Entfaltung zu bieten.
Wie stark haben die bisherigen Zinsanstiege die Schweizer Wirtschaft ausgebremst?
Die aktuelle Abkühlung der Schweizer Wirtschaft ergibt sich hauptsächlich aufgrund der Flaute des Welthandels, die das Geschäftsklima vor allem der Schweizer Industrie eingetrübt hat. Natürlich bremsen auch die höheren Finanzierungskosten der Unternehmen die Investitionstätigkeit. Mit Blick auf das im internationalen Vergleich moderate Zinsniveau in der Schweiz ist dieser Effekt aber nicht überzubewerten. Ein weiterer Bremseffekt ergibt sich über die Hypothekarnehmer, sowie zunehmend auch über die Mieter, denen künftig weniger Mittel für ihre Konsumausgaben bleiben.
Aktuelle Lage auf dem Hypothekarmarkt
Bleibt nun alles beim Alten auf dem Hypothekarmarkt?
Mit dem Nullentscheid der SNB ändert sich die Situation weder für die Hypothekarnehmer mit einer variablen Hypothek noch für solche, die eine neue Festhypothek abschliessen wollen. Die Pause der SNB lässt ihr weiterhin alle Optionen offen. Spätere Zinserhöhungen sind nicht ausgeschlossen aber eher unwahrscheinlich. Der Zinsgipfel könnte damit in der Schweiz erreicht sein.
Welchen Einfluss hat dieser Entscheid auf die Preise für Wohneigentum?
Die bisherigen Zinserhöhungen haben die Nachfrage nach Wohneigentum bereits deutlich reduziert. Der Aufwärtstrend bei den Immobilienpreisen wird sich somit weiter abschwächen, Pause hin oder her. Nächstes Jahr können wir uns deshalb sogar leichte Preisrückgänge beim Wohneigentum vorstellen. Eine starke Korrektur erscheint wegen der Knappheit an Wohnraum jedoch sehr unwahrscheinlich.
Wie sollen sich Kundinnen und Kunden am besten verhalten, wenn deren Zinsbindung in nächster Zeit ausläuft?
Den erhöhten Zinsen kann man nicht mehr entgehen. Die Konditionen für längerfristige Festhypotheken sind wegen der zuvor angestiegenen Zinserwartungen bereits vorausgeeilt. Und die Zinsen für SARON-Hypotheken haben mittlerweile im Zuge der tatsächlichen SNB-Zinserhöhungen aufgeschlossen. Eine längerfristige Zinsbindung macht derzeit Sinn, wenn eine sehr hartnäckige Inflation und noch deutlich mehr Handlungsbedarf der Notenbanken erwartet wird. Kürzere Laufzeiten sind hingegen zu bevorzugen, wenn man von einer nachhaltigen Beruhigung des Inflationsumfelds ausgeht. Dann könnte man von einer Umkehr des Zinszyklus in nicht allzu ferner Zukunft profitieren. Für die Schweiz scheint uns das zweite Szenario wahrscheinlicher.
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Aktuelle Lage für Unternehmer
Können Firmenkundinnen und Firmenkunden mit Geldmarktkrediten bereits aufatmen?
Der Marschhalt der SNB heisst noch nicht, dass die Inflation besiegt ist. Aber er unterstützt die Meinung derjenigen, die den Zinsgipfel erreicht sehen. Insofern müssen sich die Hypothekarnehmer und auch die Unternehmen nicht auf eine weitere Verschlechterung der Konditionen einstellen, weder am Kapitalmarkt noch bei Bankkrediten. Da die Zinsbelastung im längerfristigen Vergleich immer noch als moderat bezeichnet werden kann, sollte ein funktionierendes Geschäftsmodell bisher nicht ins Wanken gekommen sein. Ansonsten bestünde Handlungsbedarf, das Geschäftsmodell zu schärfen.
Wie sieht die Entwicklung bei den Renditeliegenschaften aus?
Die Attraktivität von Immobilienanlagen hat wegen der stark gestiegenen Finanzierungskosten sowie dem Anpassungsdruck bei den Bewertungen deutlich abgenommen. Investitionen in Renditeliegenschaften sind nicht mehr alternativlos und insbesondere institutionelle Investoren treten weniger als Käufer auf. Auch die Nachfrage von stark fremdfinanzierten Investoren dürfte sich weiter abschwächen. Daher lassen sich derzeit am Markt Preiskorrekturen bei Renditeliegenschaften beobachten. Diese fallen jedoch überschaubar aus, zumal nicht mit weiteren Leitzinserhöhungen zu rechnen ist und die Wohnungsknappheit die künftigen Mieterträge positiv beeinflusst.
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Aktuelle Lage im Bereich Anlegen und Sparen
Wie entwickeln sich die Sparzinsen nach diesem Entscheid?
Raiffeisen Schweiz hat entschieden, ihre Zinsempfehlungen an die Raiffeisenbanken für gewisse Sparkonten per 1. November 2023 zu erhöhen. Grundsätzlich folgen die Zinsen auf Sparkonten der Entwicklung des SNB-Leitzinses immer verzögert, und zwar sowohl bei Leitzinserhöhungen wie auch -senkungen.