• Forschungs- & Werkplatz Schweiz
  • Unternehmensthemen

Das duale Bildungssystem – eine Schweizer Erfolgsgeschichte

Im weltweit einzigartigen Schweizer Bildungssystem profitieren alle: Jugendliche von einer soliden Ausbildung mit zahlreichen Karrieremöglichkeiten, Unternehmen von qualifiziertem Nachwuchs und die Gesellschaft von einer tiefen Jugendarbeitslosigkeit. Was ist das Erfolgsgeheimnis des dualen Bildungssystems?

08.07.2025

Dual bedeutet «zwei enthaltend» oder «eine Zweiheit bildend». Im Schweizer Bildungssystem ist damit die Berufslehre gemeint, die eine Kombination aus betrieblicher und aus schulischer Ausbildung ist. Jugendliche arbeiten also in einem Lehrbetrieb und besuchen – je nach Beruf und Lehrjahr ein bis zwei Tage pro Woche – die Berufsschule. Im Lehrbetrieb steht die praktische Arbeit im Fokus, in der Berufsschule der berufsbezogene und der allgemeinbildende Unterricht. In den von Berufsverbänden organisierten überbetrieblichen Kursen (ÜK) werden zusätzlich berufspraktische Fertigkeiten geübt. So erhalten die Lernenden eine umfassende Berufsausbildung.

Eidgenössische Berufsabschlüsse für jede Stufe

Bekannt ist vor allem die drei- oder vierjährige Berufslehre, die mit dem eidgenössischen Fähigkeitszeugnis (EFZ) abschliesst. Es gibt daneben die zweijährige EBA-Lehre (früher Vorlehre) mit eidgenössischem Attest (EBA). Mit der EBA-Ausbildung können auch schulisch schwächere oder fremdsprachige Jugendliche einen anerkannten Abschluss machen. Ein Grossteil der «EBAler» absolviert anschliessend eine – oft verkürzte – EFZ-Lehre. Damit stehen ihnen alle Türen offen.

 

Mit Berufsmaturität oder Ergänzungsprüfung studieren

Während oder nach einer EFZ-Lehre können die jungen Leute auf Wunsch die Berufsmaturität absolvieren. Diese ermöglicht den Zugang an eine Fachhochschule oder – mit einer Ergänzungsprüfung, der so genannten Passerelle – an eine universitäre Hochschule (Uni, ETH) oder Pädagogische Hochschule (PH). Dieses weltweit einzigartige Bildungssystem bietet jungen Menschen auf jeder Stufe qualitativ hochstehende Abschlüsse – und die Möglichkeit, sich auf dem Beruf weiterzubilden oder den akademischen Weg einzuschlagen. 

Fallbeispiel: vom Holzbearbeiter zum Bauingenieur

Riad macht eine EBA-Lehre als Holzbearbeiter. Für eine EFZ-Lehre spricht er noch zu wenig gut Deutsch. Nach seinem Abschluss absolviert Riad eine verkürzte Lehre als Zimmermann EFZ. Und weil er mittlerweile fliessend Deutsch spricht und gute Noten hat, entscheidet er sich, nach dem Lehrabschluss die Berufsmaturitätsschule zu besuchen – so stehen ihm später alle Wege offen.

Und nun? Riad wägt ab: Soll er die Meisterprüfung anstreben oder die Höhere Fachschule absolvieren? Weder noch: Riad will Bauingenieur werden. Er wird prüfungsfrei an die Fachhochschule zugelassen und erlangt nach sechs Semestern den Bachelor of Science in Bauingenieurwesen. Das Beispiel zeigt: Auch Jugendliche mit weniger guten Voraussetzungen können es in der Schweiz weit bringen.

Berufswechsel, Weiterbildung, Studium?

Durchlässigkeit ist einer der Erfolgsfaktoren unseres dualen Bildungssystems. Dank ihr lassen sich sukzessive höhere Bildungsstufen erreichen – oder Berufe wechseln. Die Durchlässigkeit gewährleistet, dass alle Menschen Zugang zu Weiterbildungen, zu Fachhochschulen und zu universitären Hochschulen haben. Auf der anderen Seite profitieren Unternehmen, die Jugendliche betrieblich ausbilden, von qualifiziertem Nachwuchs. Das Engagement als Lehrbetrieb ist in der Schweiz zwar freiwillig, aber: Ab einer gewissen Firmengrösse gehört es in vielen Branchen zum guten Ton, Lehrlinge auszubilden. Und gerade im Handwerk bieten auch Kleinfirmen Lehrstellen, von der Gärtnerei bis zum Malerbetrieb.

 

Nicht alle Berufe sind gleich beliebt

Geeignete und motivierte Lernende zu finden, ist indes in einigen handwerklichen Berufen schwierig geworden. So geben 20% der Schweizer Jugendlichen an, das KV machen zu wollen. Büroberufe haben einen guten Ruf – auch was Weiterbildungsmöglichkeiten und Verdienst betrifft. Wer will sich da noch «die Hände schmutzig» machen und Maurer, Landschaftsgärtnerin oder Fleischfachmann werden? Hinzu kommt die «Konkurrenz» der gymnasialen Maturität. Eine akademische Laufbahn gilt in den meisten Ländern als Königsweg – das färbt auf die Schweiz ab, und auch hierzulande drängen immer mehr Familien ihren Nachwuchs ins Gymnasium. Gerade hochqualifizierten Expats sind die Vorzüge des Schweizer Bildungssystems oft zu wenig bekannt.