Die Sharing Economy setzt auf Nutzen statt Besitzen. Der Ansatz hat längst Einzug in viele Schweizer Unternehmen gehalten. Denn die Möglichkeiten für KMU, an der Sharing Economy teilzunehmen, sind vielfältig. Zwar gibt es einige Herausforderungen. Aber auch zahlreiche Chancen für mehr Nachhaltigkeit.
Ressourcen teilen via Onlineplattformen
Güter nutzen statt besitzen – das ist der Grundsatz der Sharing Economy. Dabei teilen Privatpersonen und Unternehmen ihre Ressourcen mit anderen. Als Gegenleistung verlangen sie eine Gebühr. Das wirklich Neue am Konzept Sharing Economy: Anbieter und Nutzerinnen finden sich via Onlineplattformen. Die Möglichkeiten, Objekte zu mieten und zu vermieten, wachsen durch diese neue Reichweite rasant.
Sharing Economy – drei Modelle
Die Sharing Economy ist viel mehr als internationale Plattformen. Hier die drei wichtigsten Arten der Sharing Economy:
- Business-to-Customer: Unternehmen teilen Güter und Dienstleistungen mit Privatkunden – zum Beispiel Autos. Bekanntes Beispiel aus der Schweiz: Mobility.
- Business-to-Business: Unternehmen teilen untereinander Ressourcen. Beim Zentralschweizer Unternehmen Hako zum Beispiel kann man Profi-Reinigungsmaschinen nicht nur kaufen, sondern auch mieten. Erfahren Sie, wie der Reinigungsmaschinen-Anbieter Hako Sharing Economy in der Praxis anwendet.
- Peer-to-Peer: Privatpersonen vermieten einander Güter, eine Plattform koordiniert das Ganze. Bekannter Schweizer Player: die Plattform Sharely.
Viele nachhaltige Geschäftschancen für KMU
Die Sharing Economy – oder Shared – Economy steht für eine nachhaltigere Wirtschaft und Gesellschaft: Teilen Private und Unternehmen, schont das tendenziell die natürlichen Ressourcen. Auf sozialer Ebene bedeutet Sharing einen gerechteren Zugang zu Gütern. Aber auch ökonomisch bietet Sharing Unternehmen verschiedene Chancen.
Die Sharing Economy hat denn auch längst Einzug in die Schweizer Wirtschaft gehalten. Zahlreiche KMU verkaufen ihre Produkte etwa nicht länger nur – sie vermieten sie auch. Beispiele hierfür sind der Zuger Waschmaschinen-Hersteller V-Zug oder der Waadtländer Spezialist für digitale Sicherheitssysteme Kudelski. Sogar das Zürcher Kaufhaus Jelmoli mischt mit in der Sharing Economy, in einer Partnerschaft mit der Plattform Sharely. «Durch die Mietoption erreichen KMU mehr Kunden und steigern so ihre langfristige Wettbewerbsfähigkeit», sagt Marc Hintermeister, Leiter Leasing bei Raiffeisen Schweiz.
Bauindustrie und Landwirtschaft «sharen» schon lange
Im B-to-C-Bereich sind die Marktbedingungen für die Sharing Economy laut Hintermeister ideal: «Hier bekommt der Ansatz zunehmend Schwung», beobachtet er. «Die Generation Netflix will Abos abschliessen statt besitzen.» Nicht umsonst befindet sich etwa das Berner Start-up Carvolution mit seinem Auto-Abo auf der Überholspur.
«Die Generation Netflix will Abos abschliessen statt besitzen.»
Marc Hintermeister, Leiter Leasing Raiffeisen Schweiz
Im B-to-B-Bereich wiederum ist Sharing als Prinzip altbekannt: «Hersteller in der Bauindustrie vermieten ihre Maschinen schon lange, genauso wie Landwirte untereinander Traktoren teilen», sagt René Brugger, Begleiter und Unternehmer beim Raiffeisen Unternehmerzentrum RUZ. Auf der Plattform Agropool zum Beispiel können sich Schweizer Landwirte gegenseitig Landmaschinen mieten und vermieten.
Bessere Auslastung der Ressourcen, tiefere Kosten
Aber auch andere Ressourcen wie Lastwagen, Lagerflächen oder Mitarbeitende werden zunehmend zwischen Unternehmen geteilt. «Das Nutzen und Bereitstellen von Überkapazitäten ist für sämtliche Branchen interessant», stellt Brugger fest. Die Vorteile sprechen für sich: «Die Sharing-Anbieter lasten ihre Ressourcen besser aus und steigern so ihre Profitabilität.»
Die Sharing-Nutzer profitieren in erster Linie von höherer Wirtschaftlichkeit: «Durch Pay per Use sparen sich die Unternehmen hohe Investitionen», so Brugger. Diese Mittel können sie nutzen, um ihre Produkte zu verbessern oder neue Märkte zu erschliessen.» Ausserdem: «Kleine Unternehmen und Start-ups erhalten Zugang zu Ressourcen, die ihnen sonst womöglich verwehrt blieben.»
«Durch Pay per Use sparen sich die Unternehmen hohe Investitionen.»
René Brugger, Begleiter und Unternehmer beim Raiffeisen Unternehmerzentrum RUZ
Das Zauberwort: Automation
Trotz aller Vorteile: Noch gibt es Hindernisse, die KMU von der Sharing Economy fernhalten – zum Beispiel fehlende technische Voraussetzungen. «Sensoren etwa sind ein zentrales Kriterium für Sharing», hält Hintermeister fest. «Sie sind jedoch noch unzureichend verbreitet.» Insbesondere in der Industrie steht dies dem Teilen von Maschinen und anderen Ressourcen im Weg. Denn durch Sensorik entstehen Schnittstellen zwischen Maschinen. Sind diese kompatibel, können die Systeme der involvierten Parteien automatisch miteinander kommunizieren. «Ohne Automation lohnt sich Sharing in der Industrie nicht – Aufwand und Fehleranfälligkeit sind schlicht zu hoch», erklärt René Brugger.
Das gilt auch für andere Branchen und Teile der Sharing Economy. Neben den technologischen Voraussetzungen ist die Bereitschaft, Daten zu teilen, deshalb die Grundbedingung für Sharing. Allerdings: «Viele Unternehmen tun sich schwer damit – Konkurrenzdenken ist stark verbreitet», sagt Brugger. «Dabei könnten zum Beispiel Exportbranchen eine ganz neue Kraft entwickeln, wenn sie sich in der Schweiz zusammentun. Für die Sharing Economy braucht es eine Änderung der Weltsicht.»
Herausforderung Datensouveränität
Viele Unternehmen fürchten jedoch zusätzlich um ihre Datensouveränität: um die selbstbestimmte Kontrolle über die Erhebung, Speicherung, Nutzung und Verarbeitung ihrer Daten. «Hier gibt es zunehmend technische Lösungen», stellt Marc Hintermeister in Aussicht. «Zum Beispiel sichere Übermittlungssysteme, auf denen Unternehmen die Nutzung ihrer Daten klar festlegen können.»