Welchen Herausforderungen stehen Schweizer KMU aktuell gegenüber? Wie weit sind sie mit der Implementierung von künstlicher Intelligenz und wo setzen sie KI ein? Was erwarten KMU von der Politik? Die Mittelstandstudie klärt auf.
1. KMU blicken positiv in die Zukunft
Die vergangenen Jahre waren turbulent: Auf die Pandemie folgten inflationäre Tendenzen, Engpässe in der Rohstoff- und Energieversorgung bei gleichzeitig steigenden Preisen, bewaffnete Konflikte und rasante technologische Fortschritte.
Dennoch ist und war ein zentrales Resultat der Mittelstandstudien der vergangenen Jahre die Widerstandsfähigkeit der Schweizer KMU: Auch 2024 blicken sie optimistisch in die Zukunft. 69 Prozent beurteilen ihre künftige wirtschaftliche Lage als gut bis sehr gut, 28 Prozent werten die künftige Lage neutral und nur 3 Prozent schlecht bis sehr schlecht.
Wie beurteilen Sie die künftige Wirtschaftslage Ihres Unternehmens über die nächsten drei Jahre?
Die positive Stimmung widerspiegelt sich auch in den finanziellen Erwartungen für das laufende Jahr. Ähnlich wie im letzten Jahr gehen knapp über 80 Prozent der KMU von steigendem oder mindestens gleichbleibendem Umsatz aus.
2. Aussenpolitische Entwicklungen beunruhigen
Als grösstes Konjunkturrisiko werten Schweizer KMU die hohen Energie- und Rohstoffpreise – deren Bedeutung ist aber gegenüber den letzten zwei Jahren zurückgegangen. Auf Platz 2 ist der erschwerte Zugang zu Fachkräften und Personal. Beide Risiken sind nun schon drei Jahre in Folge an der Spitze.
Neu in den Top 3 der grössten Konjunkturrisiken sind aussenpolitische Entwicklungen: Mehrere anhaltende Krisen und der neue Konflikt im Nahen Osten beunruhigen Schweizer KMU. Sorgen bereiten auch innenpolitische Entwicklungen und Entscheidungen in mehreren für die Schweiz wichtigen Absatzmärkten – beispielsweise die anstehenden Wahlen in den USA oder die generelle politische Spaltung in mehreren Ländern Europas.
Was sind Ihrer Meinung nach die grössten Konjunkturrisiken in den nächsten zwölf Monaten?
Dabei sind aussenpolitische Entwicklungen für grössere KMU mit über 10 Millionen Umsatz wichtiger (49 Prozent) als für kleinere KMU (38 Prozent). Das ist wenig überraschend: Letztere weisen in der Regel weniger Exportaktivität auf.
3. Inflation und Cybersicherheit fordern KMU heraus
Vier von fünf KMU sehen die Preisentwicklung/Inflation als den Faktor mit dem grössten Einfluss auf ihre wirtschaftliche Entwicklung. Auch Cyber- und Datensicherheit (79 Prozent) und die Beherrschung technologischer Trends (76 Prozent) werden häufig genannt. Für KMU ist die technologische Entwicklung also gleich eine doppelte Herausforderung: Erstens müssen sie mit dem rasanten Wandel schritthalten, und sich zweitens auch gegen damit verbundene Risiken wappnen.
Welche Bedeutung haben die folgenden Faktoren in Bezug auf die wirtschaftliche Entwicklung Ihres Unternehmens?
Sehr stark an Bedeutung gewonnen hat mit 64 Prozent der Nennungen (+12 Prozentpunkte) die Entwicklung von künstlicher Intelligenz (KI). KMU scheinen sich mit dem Thema immer stärker zu beschäftigen und erwarten entsprechende Auswirkungen auf ihr Geschäft.
4. KI wird nur zögerlich eingesetzt
Künstliche Intelligenz wird die Art, wie wir in Zukunft arbeiten, vermutlich grundlegend verändern. Doch die Mittelstandstudie zeigt: Noch zögern KMU stark, KI in ihren Arbeitsalltag zu integrieren. Nur 9 Prozent setzen sie bereits systematisch ein, 37 Prozent nutzen KI gar nicht – und gar 15 Prozent informieren sich nicht mal über aktuelle Entwicklungen und Anwendungsmöglichkeiten.
Diese Zurückhaltung scheint aber nicht auf einer wahrgenommenen Bedrohung zu basieren, denn 48 Prozent sehen in KI eine Chance, 41 Prozent stehen ihr neutral gegenüber und nur 11 Prozent betrachten sie als Gefahr. Vielmehr fehlt es wohl an Wissen über die Anwendungsmöglichkeiten oder am Know-how zur Identifizierung und Implementierung von KI-Lösungen.
Wird in Ihrem Unternehmen bereits künstliche Intelligenz eingesetzt?
KMU, die KI einsetzen, tun dies zu ganz unterschiedlichen Zwecken. Am weitesten verbreitet ist der Einsatz von KI für Bilderstellung und -bearbeitung (23 Prozent), für die Konvertierung von Audio zu Text (20 Prozent), für interne Wissensdatenbanken (19 Prozent) und für personalisiertes Marketing (18 Prozent).
5. KMU sehen Automatisierung als grössten Vorteil von KI
Die grössten Vorteile im Einsatz künstlicher Intelligenz sehen KMU vor allem in der Automatisierung von Tätigkeiten und Prozessen (47 Prozent), der Erzielung von Produktivitäts- und Effizienzgewinnen (37 Prozent) und der vereinfachten Dokumentation (33 Prozent). Als primäre Einsatzgebiete werden die Bereiche IT & Digitalisierung, Marketing & Vertrieb und Kundenservice genannt.
Was auffällt: Kleinere Unternehmen beurteilen die Vorteile von KI in der Tendenz als gewichtiger als grössere. Dies könnte daran liegen, dass das Automatisierungs- und Optimierungspotential in kleineren Unternehmen oft noch nicht ausgeschöpft ist.
Welche Vorteile verbinden Sie mit dem Einsatz künstlicher Intelligenz?
Den Vorteilen von KI stehen aber auch gewichtige Nachteile gegenüber. Als grösstes Risiko nennen 51 Prozent der Befragten die Datensicherheit. An zweiter Stelle steht mit 40 Prozent der Mangel an Nachvollziehbarkeit und Transparenz, was Bedenken bezüglich der Qualität KI-generierter Inhalte ausdrückt. Emotionslosigkeit in Entscheidungen (33 Prozent) und Fehleranfälligkeit (28 Prozent) werden ebenfalls als bedeutende Nachteile angeführt.
6. Auftrag an die Politik: Beziehungen zur EU stabilisieren
Mehr Einsatz der Politik im Bereich KI scheint erstmal nicht gewünscht zu sein. Dafür ist die Forderung an die Politik bereits zum sechsten Mal in Folge dieselbe: die Stabilisierung und Klärung der Beziehungen zur Europäischen Union. Das erstaunt nicht, denn die EU ist der wichtigste Exportmarkt für Schweizer Unternehmen.
Welche sind die drei wichtigsten Themen, denen sich die Politik in den nächsten zwölf Monaten widmen sollte?
Ein bemerkenswerter Trend zeigt sich in der zunehmenden Bedeutung des Bürokratieabbaus. Innerhalb von zwei Jahren ist der Anteil der KMU, die dieses Thema als prioritär erachten, von 32 Prozent auf 41 Prozent gestiegen. Auch die Sicherung des Fachkräftebedarfs bleibt ein zentrales Anliegen.
Zudem ist die Bedeutung geo- und sicherheitspolitischer Themen signifikant angestiegen. Mit einem Zuwachs von über 7 Prozent gegenüber dem Vorjahr sehen nun 16 Prozent der befragten KMU die Gewährleistung nationaler und internationaler Sicherheit als wichtiges politisches Thema.
Durchführung der Studie
Die KMU Mittelstandstudie wird seit 2018 jährlich durchgeführt und misst den Puls der kleinen und mittleren Schweizer Betriebe. Im Frühjahr 2024 haben Kearney und Swiss Export zum mittlerweile siebten Mal eine Befragung des Schweizer Mittelstands durchgeführt. Zum fünften Mal ist Raiffeisen als Studienpartnerin dabei, als wechselnder Industriepartner arbeitete die Kistler Gruppe mit. An der Online-Erhebung beteiligten sich insgesamt 605 Unternehmen.