Krisen gehören zum Investieren – was Anleger daraus lernen können

Wer aus Fehlern lernt, geht gestärkt aus einer Krise hervor. Der Fall CS hat gezeigt, wie wichtig es ist, seine Risiken zu kennen, das Portfolio breit zu diversifizieren und zu wissen, in was man investiert. So können Verluste eingedämmt werden.

Diversifikation zahlt sich aus – Deutliche Performance-Schere

Aus dem Zusammenschluss von UBS und Credit Suisse (CS) gehen die meisten Anleger als Verlierer hervor. Für viele endete die Transaktion mit massiven Verlusten. Aus Anlegersicht ist es gerade deshalb wichtig, daraus zu lernen. Wer beim Investieren Fehler vermeidet, macht schon sehr vieles richtig. 

Der Fall Credit Suisse zeigt, wie essenziell es ist, die Risiken zu streuen. Seit der Übernahme der Nummer zwei durch die Nummer eins, die UBS, haben die CS-Aktien 57% ihres Werts verloren. Dagegen gewann der Swiss Market Index (SMI), dem auch die angeschlagene Grossbank angehört, in derselben Periode 7% dazu. Die Bedeutsamkeit der Diversifikation wird auch durch die grossen Unterschiede in der Performance der einzelnen SMI-Titel nach vier Monaten veranschaulicht. Während Spitzenreiter Sonova 27% zugelegt hat, handeln die Aktien von Logitech 11% unter ihrem Kurs von Anfang Jahr.

Die vier stärksten und schwächsten Aktien im SMI seit Anfang Jahr

Quellen: Bloomberg, Raiffeisen Schweiz CIO Office

Während die Diversifikation im Aktienbereich verschiedene Sektoren und Regionen umfasst, geht sie im Portfoliokontext noch weiter. Es kommen zusätzliche Anlageklassen wie Obligationen, Gold oder Immobilienfonds hinzu. Aufgrund der teilweise niedrigen oder negativen Korrelation der Anlageklassen untereinander stabilisieren sie im Zusammenspiel die Wertentwicklung des Gesamtvermögens. 

Ein weiterer Aspekt, der im Rahmen der CS-UBS-Transaktion von vielen als stossend empfunden wurde, ist der Umstand, dass die Finanzmarktaufsicht (FINMA) die AT1-Anleihen (Additional Tier 1) der CS vollständig abgeschrieben hat. Bei diesen Anlagen handelt es sich allerdings um komplexe Obligationen mit individuellem Regelwerk. Dazu gehört, dass der Regulator diese im Falle indirekter Staatshilfe abschreiben kann. Es ist also wichtig, sich als Anleger von Beginn an mit den Risiken einer Investition vertraut zu machen und die eingesetzten Anlageprodukte zu kennen.

Ähnliches gilt für Hochzins- und Wandelanleihen sowie für strukturierte Produkte. Es geht dabei nicht darum, den Anlegern diese Finanzprodukte auszureden. Aber wenn ein Investment eine zweistellige Rendite verspricht, der Aktienmarkt im langjährigen Schnitt aber lediglich 8% bis 9% abwirft, dann sollte der Anleger genau hinschauen. Denn eine höhere Rendite ist immer mit höheren Risiken verbunden. Weiss der Anleger, worauf er sich einlässt, lassen sich Enttäuschungen vermeiden.  

Dabei kommt dem individuellen Risikoprofil eine wichtige Rolle zu. Risiken gehören zwar zum Anlegen, allerdings unterscheiden sich die Risikofähigkeit und die Risikobereitschaft je nach Anleger. Bei jedem Investment stellt sich somit die Frage, ob es aus Risikoüberlegungen ins Portfolio passt und wie es die Charakteristika des Gesamtvermögens verändert. 

Wer die besten Börsentage verpasst, hat das Nachsehen

Zum Investieren gehört dazu, dass man eine Aktie kauft und sich so an einem Unternehmen beteiligt. Es gibt verschiedene Gründe, weshalb das attraktiv sein kann: Man ist vom Geschäftsmodell überzeugt, will an der Wachstumsgeschichte partizipieren oder geht davon aus, dass die Restrukturierung erfolgreich sein wird. Dagegen kauft ein Spekulant eine Aktie nur, weil er hofft, sie teurer weiterverkaufen zu können. Das ist gefährlich – oder wie es die Investorenlegende Warren Buffett einmal gesagt hat: «Der dümmste Grund eine Aktie zu kaufen, ist, weil sie steigt.»

Dabei sind Investoren, die eine Aktie erwerben, grundsätzlich positiv gestimmt. Sie denken weniger an die Möglichkeit eines Verlustes. Wenn ein Investment aber 15% oder 20% seines Wertes verliert, gilt es zu hinterfragen: Ist dies bloss eine Marktkorrektur oder handelt es sich um ein unternehmensspezifisches Problem? Bei Letzterem ist Handlungsbedarf angezeigt, um den Verlust einzudämmen. Ist die Korrektur übertrieben, ist über einen Zukauf nachzudenken. Gerade Marktverwerfungen auf breiter Front sind oft attraktive Einstiegschancen. Wie wichtig es ist, investiert zu bleiben, zeigt der Einfluss der besten Börsentage auf die Wertentwicklung einer langjährigen Investition.

Heutiger Wert einer Investition von CHF 10’000 am 1. Januar 2000 in den Schweizer Aktienmarkt (SPI)

Quellen: Bloomberg, Raiffeisen Schweiz CIO Office

Probleme zeigten sich im Aktienkurs – Langjähriger Abwärtstrend

Um langfristig erfolgreich zu investieren, empfiehlt es sich, auf qualitativ hochwertige Unternehmen zu setzen. Diese haben den Beweis erbracht, dass sie Aktionärswert schaffen, Krisen überstehen und ihre Produkte vom Markt nachgefragt werden. Obwohl die Credit Suisse als Mitglied des SMI und als zweitgrösste Bank des Landes als qualitativ hochwertig gelten sollte, sind in der Vergangenheit doch unübersehbare Risse zutage getreten. Die Bank musste mehrere Kapitalerhöhungen durchführen, wurde wiederholt gebüsst und schlitterte von einer Reorganisation in die nächste. 

Diese Schwächen spiegelten sich im Aktienkurs. Die Performance-Schere zum SMI begann sich kurz nach der Finanzkrise 2008/09 zu öffnen. Inklusive reinvestierter Dividenden hat sich der Wert des Schweizer Leitindex in dieser Zeit verdoppelt. Bei den Titeln der CS resultiert dagegen beinahe ein Totalverlust. Es gab also durchaus Anzeichen, die Investoren an der Qualität des Unternehmens hätten zweifeln lassen können.    

Der Fall der Credit Suisse wird die Schweiz noch lange beschäftigen. Er illustriert, wie wichtig es ist, als Anleger seine Risiken zu kennen und zu kontrollieren. Wer sein Geld mit der nötigen Vorsicht verwaltet, ist vor dem Ausfall einer einzelnen Anlage zwar nicht vollends gefeit, reduziert das Risiko für das Portfolio aber deutlich. Und im Ernstfall dürfte der Verlust im Rahmen des Gesamtvermögens verkraftbar sein. 

Wertentwicklung der Credit Suisse-Aktie und des Swiss Market Index (SMI) seit der Finanzkrise, indexiert

Quellen: Bloomberg, Raiffeisen Schweiz CIO Office

Der CIO erklärt: Was heisst das für Anleger?

Der Traum vom schnellen Geld ist omnipräsent und führt zu irrationalem Verhalten. Nur so erklärt es sich, warum Tausende von Menschen Woche für Woche einen Lottozettel ausfüllen oder sich beim Glücksspiel versuchen. Auch an der Börse wird mitunter im grossen Stil spekuliert. Reich wird man dabei selten. Langfristig erfolgreiches Anlegen ist ein Handwerk und tendenziell unspektakulär. Drei Aspekte stehen im Vordergrund:

Erstens sollten sich Anlegerinnen und Anleger stets bewusst sein, dass Rendite und Risiko Hand in Hand gehen. Alles, was höher rentiert als eine kurzlaufende Schweizer Staatsanleihe, ist mit entsprechenden Risiken verbunden. Zweitens ist Diversifikation nicht nur ein Schlagwort, sondern eiserne Pflicht für jeden Investor. Und drittens der Faktor Zeit: Je länger der Anlagehorizont ist, desto stärker wirkt der Zinseszinseffekt und zudem lassen sich temporäre Rücksetzer an den Finanzmärkten ausgleichen. Wenn die Börsen boomen, werden diese Aspekte leider oft vergessen. Dann braucht es manchmal eine unrühmliche Episode wie den Fall Credit Suisse, um sich an diese Tugenden zu erinnern.

Matthias Geissbühler, CIO Raiffeisen Schweiz